You and Me Psychology

Phönix fliegt nach Hause

Herz gegen Verstand – Verstand gewinnt

I’m over you and I don’t need your lies no more
’Cause the truth is, without you, boy, I’m stronger
And I know you said that I changed with my cold heart
But it was your game that left scars

Ooh, I’m over you”

Mabel, Don’t call me up

Immer wieder checkt Marlies sein Profilbild in der Chat-App. Sie schaut nach, wann Volker das letzte Mal online war. Das gleiche bei den anderen Chat-Apps. „Ich kann es einfach nicht lassen. Ich habe tatsächlich nach all dem immer noch Liebeskummer. Sehnsucht. Er fehlt mir. Das ist so blöd.“

Sie vergrößert das Profilbild. Anstatt Volker sieht sie eine junge Frau, die fröhlich in die Kamera lacht. Marlies fühlt einen Stich. Aber noch etwas… Wut! Wut auf ihn aber noch viel mehr Wut auf sich selber.

Wie blöd konnte eine lebenserfahrene, erwachsene Frau eigentlich sein? Genauso blöd wie das junge Mädel auf dem Foto, der die schmerzlichen Erfahrungen noch bevorstehen. Er tut es wieder. Mehr Frauen, mehr Opfer.

ES REICHT JETZT.

Endlich bringt Marlies die Entschlossenheit auf, um Volker auf allen Kanälen zu blockieren. Es ist besser so. Sie fühlt sich erleichtert.

Ein paar Tage später beginnt sie damit, die gemeinsamen Fotos zu löschen. Es kommt ihr so vor, als wäre ihr ein Schleier vom Kopf gezogen worden. Marlies sieht Volker mit anderen Augen. In keinem der Fotos kann sie einen liebevollen Blick erkennen. Er sieht eigentlich immer gleich aus.

Und schließlich löscht sie alle restlichen Daten von Volker – er soll keine sichtbaren Spuren hinterlassen.

Dieser Boomerang soll nicht zurück kommen

Wochenlang ist Marlies nervös, wenn sie den Briefkasten öffnet. Sie nimmt keine anonymen Anrufe entgegen und fürchtet Volker zu begegnen. Er kennt ihre Orte.

Im Radio spielen sie einen Hit, den er besonders mochte. Marlies fand den Song von Anfang an doof. Sie wechselt den Radiosender, bevor die Erinnerungen sie einholen.

Aber es passiert nichts. Woche um Woche. Monat um Monat.

Marlies beginnt freier durchzuatmen. Sie realisiert, dass sie recht einfach davon gekommen ist. In der Selbsthilfegruppe hat sie viel über Gewalt und Demütigungen gehört – über Jahre hinweg. Und über die Unfähigkeit, sich trotzdem nicht lösen zu können. Es ist schrecklich zu hören. Aber erst jetzt weiß Marlies, dass sie sich nicht schämen muss auf Volker hereingefallen zu sein. Sie ist nach einem halben Jahre wieder ausgestiegen (worden) und ist stärker als viele andere.

Nach allem, was sie über die unterschiedlichen Narzissmus-Typen gelesen hat, ist „ihr Narzisst“ ganz klar krank, aber wenigsten nicht aggressiv und hat ein besseres Opfer gefunden. „Schwein gehabt. Aber bitte, komm‘ nicht zurück!“

I said oh my God I see you walking by

take my hands, my dear, and look me in my eyes

Just like a monkey I’ve been dancing m whole life

But you just beg to see me dance just one more time

Tones and I, Dance Monkey

Eine Tages: Gib dem Schicksal wieder eine Chance.

Gleich schließt der Supermarkt. Marlies kurvt eilig durch die Gänge. Dann passiert es. Beim Einbiegen in den Schokoladen-Gang rammt sie den Einkaufswagen eines Kunden. Der Mann schnappt nach Luft, denn der Griff landet schwungvoll an seinem Hüftknochen. Marlies entschuldigt sich betreten. ‚Mei, wie peinlich. Aber fesch ist er.‘, denkt sie.

An der Kasse stellt sich Marlies direkt hinter ihrem Unfall-Opfer an. Sie fragt, ob alles heil geblieben sei, und ob sie ihn vielleicht auf einen Kaffee einladen dürfe. Das kann zwar jetzt eine Abfuhr geben, aber Marlies denkt sich: ‚Besser so, als wieder ausgewählt zu werden von einem Psychopathen. Das pack ich nicht noch einmal.‘

„Oh, gerne. Wie wäre es am Samstagnachmittag. Sagen wir 14 Uhr, da hätte ich Zeit für Sie.“, lautet die erfreute Antwort von Chris, dem Unfall-Opfer.

Auf dem Heimweg läuft wieder dieses Lied von früher im Radio. Marlies lässt es laufen, widersteht der Versuchung es auszuschalten. Das nennt man Exposition. So nennt das ihr Therapeut, den sie mittlerweile einmal die Woche sieht. Ein paar Takte hält sie schon durch. Und freute sich, dass der Tag noch eine so gute Wendung genommen hat.

Übermorgen wird sie Chris zum Kaffee trinken treffen. Mit Kuchen! Das hat er extra betont. Sie freut sich darauf. Ihr Leben soll endlich wieder weitergehen, nachdem sie monatelang den Atem neben dem Narzissten angehalten hatte.

But as my father used to say:
In every ending, there is a new beginning.

Deborah Harkness, A Discovery of Witches


Die Beziehung zum Narzissten ist beendet.
Aber ist es auch vorbei?

Ein Stilleben mit einer Rose, einer Kamera und einer Filmrolle

Marlies war anfänglich davon überzeugt, in Volker ihren Traumpartner gefunden zu haben. Das eigene Bauchgefühl hatte sie ignoriert und ihr Verliebtsein hatte verhindert, Volkers Motive zu erkennen. Volker Show war anfangs mehr als überzeugend.

Das Verliebtsein ist eine Art partielle Wahrnehmungsstörung in Form einer rosaroten Wolke. Sie dauert in der Regel 6-8 Wochen. Erst dann kommt der vermeintliche Realitätscheck. Ohne die emotionale Manipulation durch Volker Hätte dies das Ende der neuen Beziehung sein können.

Die Opfer in einer narzisstischen Beziehung haben in der Regel größte Schwierigkeiten sich aus der emotional missbräuchlichen Umklammerung zu befreien. Manche schaffen es nicht allein, manche gar nicht. Das Umfeld reagiert zudem oft verständnislos und wendet sich ab. Wie kann sie so ein Scheusal lieben?

Die Liebe zu einem Narzissten hat klar einen Suchtcharakter. Denken wir beispielsweise an Alkoholmissbrauch. Dem typischen Alkoholiker ist bewusst, dass der Konsum von Alkohol ihm auf lange Sicht schadet, aber er kann nicht davon ablassen, da er mit Alkohol kurzfristig sehr gute Momente erlebt. Marlies gelingt es anfangs nicht von Volker abzulassen. Es sind die guten Momente.

Wie beim Alkoholmissbrauch gibt es nur eine Lösung: den konsequenten und umfassenden Kontaktabbruch zu dem Suchtmittel (hier also zu dem Narzissten). Die Einhaltung der sogenannte No Contact Regel ist das Trockenbleiben eines Alkoholikers und funktioniert nur digital. Es gibt nur Schwarz oder Weiss. Es kann kein Grau geben.

Der wiederverwertende Narzisst

Die Wochen nach der Trennung sind für Marlies sehr belastend. Sie hat Angst, dass Volker sie wieder kontaktiert. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet. Es gibt Narzissten, die Recycler sind. Sie bevorzugen es, auf bereits bekannte Opfer zurück zugreifen, zu denen der Kontakt zwischenzeitlich abgebrochen war. Meist handelt es sich um eine relativ konstante Gruppe. Neue Opfer werden seltener gesucht.

Oft ist es den recycelten Opfern bewusst, dass sie Teil dieser Gruppe von wiederverwerteten Menschen sind. Sie befinden sich jedoch in einer verfestigten emotionalen Abhängigkeit zu dem Narzissten oder haben keine anderen Beziehungen mehr aufbauen können. Daher sind sie entweder gleichgültig oder sogar zufrieden, wenn der Narzisst sie wieder aufsucht.

Nie wieder an einen einen Narzissten geraten
Verlust der Naivität

Eine weitere Befürchtung der Opfer von Narzissten ist, dass sich die Erfahrung wiederholt – dieses Mal mit einem neuen Partner. Marlies versucht dies zu umgehen, indem sie am Ende ihrer Erzählung den Spieß umdreht. Sie eröffnet proaktiv den Prozess des Kennenlernens im Supermarkt, um nicht in die Situation zu geraten ausgewählt zu werden.

Marlies hat sicher durch die Episode mit Volker viel über sich selbst gelernt. Sie kennt vielleicht nun ihren eigenen Persönlichkeitsstil. Es bleibt zu hoffen, dass sie in Zukunft einen Narzissten deutlich eher erkennt und dass ein Sensibilisierungsprozess bei ihr eingesetzt hat. Wahrscheinlich wird sie insgesamt deutlich zurückhaltender sein in einer neuen Partnerschaft. Sie wird sich eher nicht so schnell fallen lassen oder es schwierig finden einem anderen Menschen vertrauen.

Das sind die Spuren, die Volker hinterlassen hat.

THE END.

Everybody hurts sometimes
Everybody hurts someday, ayy ayy

But everything gon‘ be alright
Go and raise a glass and say, ayy

MAroon 5, Memories

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