Besuch einer Selbsthilfegruppe bei narzisstischem Missbrauch

Besuch einer Selbsthilfegruppe bei narzisstischem Missbrauch

Ich habe es geschafft. Es hat viele Wochen und ein paar Anläufe gedauert, aber nun war ich endlich raus aus der Beziehung zu meinem „Freund“. Weg aus der toxischen Beziehung, aus der emotionalen Manipulation und dem elend schlechten Gefühl, dass alles so verkehrt ist. Endlich befreit von „meinem“ Narzissten“.

Physisch bin ich weit weg. Aber meine Seele schmerzt oft. Es fühlt sich an wie nach einem Fahrradunfall: mit Abschürfungen aber ohne Knochenbrüche, eine Gehirnerschütterung aber keinen Schädelbasisbruch.

Jetzt will ich mit anderen Betroffenen darüber reden. Jemanden finden, der mir alles glaubt und versteht, wie unglaublich schwer das alles war. Es ist immerhin kein leichtes Unterfangen, sich von einem Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu trennen.

Erste Eindrücke von der Selbsthilfegruppe

Dies ist mein erster Besuch in einer Selbsthilfe-Gruppe überhaupt. Die zwei Stunden auf relativ engen Raum mit 13 Frauen, drei Männern und dem leitenden Psychologen sind intensiv. Der Raum vibriert vor Emotionen, Selbstzweifeln und Leidensgeschichten. Die geplante Vorstellungsrunde ufert aus. Einige der Anwesenden haben das Bedürfnis, schon in der Bergüßungsrunde die Geschichte mit „ihrem“ Narzissten ausführlich zu erzählen. Die Last ist zu groß, die Worte quillen nur so heraus. Die vielen Erlebnisse und unverarbeiteten Emotionen verhindern eine strukturierte Kurzdarstellung.

Alle wollen wissen warum?

Die meisten der Anwesenden wirken auf mich nicht wie typische Opfer. Ich hätte von mir selbst auch nicht gedacht, dass mir so etwas mal passiert. Aber wie alle der Anwesenden habe ich die Zeichen falsch gelesen, bin emotionale in eine Abhängigkeit gerutscht und kämpfe mich nun mühsam wieder heraus. Es ist jede Anstrengung wert sich dem narzisstischen Missbrauch durch den (Ex)Partner zu entziehen.

In den Erzählungen der Anwesenden schwingen mit jedem Satz die seelischen Verletzungen und das Gefühl des Nicht-Verstehens mit. Immer wieder die Frage nach dem Warum?

  • Warum passiert das?
  • Warum komme ich nicht von ihm oder ihr los?
  • Warum tut er oder sie das?

Die meisten sehen sich als Opfer oder hegen Schuldgefühle. Zwei der anwesenden Frauen überlegen, wie groß ihr Eigenanteil sei.

Die anwesenden Männer bei der Selbsthilfegruppe fokussieren sich auf konkrete Tipps oder Lösungswegen. Auch teilen sie weniger ihre Gefühlslage als die bereits gefundenen Strategie mit der Gruppe. Der leitende Psychologe hört aufmerksam zu. Ab und zu präsentiert er eine Grafik zu den typischen Abläufen innerhalb einer narzisstisch geprägten Beziehung. Der Bezug zu den Teilnehmern findet weniger statt. Es geht eher um das Aufklären und Erkennenen von Abläufen.

Der Narzissmus-Typ macht den Unterschied

Es ist mittlerweile 22 Uhr und ich bin erschöpft. Ich habe so viele traurige Geschichten gehört. Dabei ist mir klar geworden, was für ein unglaubliches Glück ich gehabt habe. „Mein Narzisst“ ist eindeutig „gestört“, jedenfalls nach den Kriterien der Diagnostischen Standards der Amercian Psychiatric Association, die wir besprochen haben. Ihm fehlte die Gewalttätigkeit, die anderen Frauen gebrochene Rippen und geschwollene Gesichter einbrachten.

Wir erfahren noch, dass es drei Typen von Narzissten gibt:

  • Grandios-maligner Narzissmus
  • Vulnerabel-fragiler Narzissmus
  • Exhibitionistische Narzissmus

Die Namen klingen schon alle so übel. Keiner passt so richtig auf meinen. Aber das ist mir jetzt egal. Ich hatte Glück im Unglück. „Mein Narzisst“ sah irgendwann in mir nicht mehr das passende Opfer. Als ich aufhörte ihm alles zu geben was er wollte, verlor er mehr und mehr das Interesse. Nun hat er sicher ein neues Opfer. Der Gedanke belastet mich schon die ganze Zeit.

Auch macht es mich die Erkenntnis traurig, dass viele Frauen ohne gute Freunde und die Unterstützung eines Therapeuten hier sitzen und den Absprung noch nicht geschafft haben. Oder es nicht können aufgrund der gemeinsamen Kinder. Ich habe spontan das Gefühl helfen zu wollen, aber ich kann nicht. Dazu reicht meine Kraft nicht. Aber dazu gibt es Profis – Psychologen und Therapeuten!

Sinn der Selbsthilfegruppe

Die Abschlussrunde zeigt worin der Sinn und Zweck der Selbsthilfegruppe gesehen wird: Es geht darum, nicht so alleine zu sein mit seinen Erfahrungen und den Fragen. Und vor allem besteht der Wunsch, sich mit anderen Betroffenen auf Augenhöhe auszutauschen. Mit Menschen, die das gleiche Leid ertragen und die sich ohne viel Erläuterungen verstehen. Sätze wie: “Kopf hoch, Beziehungen sind oftmals nicht ganz einfach. Das wird schon wieder.“ Will man einfach nicht mehr hören.

Und trotzdem: eine Selbsthilfe-Gruppe ist meine Ansicht nach nur eine begleitende Maßnahme neben der Betreuung durch einen erfahrenen Psychiater, Psychologen oder medizinischen Psychotherapeuten.

Machen wir uns nichts vor: jede Art von toxischer Beziehung verletzt die Seele. In welchem Umfang dies geschieht, ist den Betroffenen oft selbst nicht klar. Je länger man in der Beziehung steckt, desto größer sind die Narben, die man davon trägt.

Meine Botschaft an Euch

Je länger man in der Beziehung steckt, desto größer sind die Narben,
die man davon trägt. Setzt dem Leiden ein Ende.
Alles was danach kommt ist besser!

Ihr seid auf dem richtigen Weg.
Aber BITTE holt Euch professionelle Hilfe!!

Sprecht mit Eurem Hausarzt oder macht Euch einen Termin in einer psychotherapeutischen Sprechstunde.

Jeder hat Anspruch auf Hilfe und ein Gesprächstermin muss laut Gesetz innerhalb von 4 Wochen zustande kommen. Die Kosten werden durch die Krankenkassen übernommen.


TUT ES FÜR EUCH (und für Eure Kinder)!

Anmerkung: Die enthaltenden Verlinkungen wurden durch Fay ergänzt